Frank Maruccia - Lifestyle-Insider.com

Frank Maruccia

INTERVIEW

Er ließ sein Leben als Extreme-Workaholic hinter sich und erfüllte sich auf Mallorca seinen Traum. Der gebürtige Stuttgarter verkaufte seine Firma in Deutschland und wurde Winzer in Llucmajor.

16. April 2018

Frank, bevor Du hierher kamst, hast Du Wirtschaftswissenschaften studiert, dann eine eigene Firma gegründet. Erzähl’ uns ein bisschen aus Deinem „früheren“ Leben.

Ich habe als Ein-Mann-Unternehmen angefangen und da investierst Du extrem viel von deiner Lebenszeit in den Aufbau. Das war bei mir auch so: Sechseinhalb-Tage-Wochen, morgens der Erste, abends der Letzte. Das ging zu Lasten des sozialen Umfeldes. Du hast von morgens bis abends gearbeitet, bist nach Hause gekommen, hast vielleicht noch ein bisschen etwas gegessen und eine halbe Stunde Fernsehen geschaut und dann warst du platt. Die Work-Life-Balance hat sich sehr zum Negativen verschoben. Ich habe das lange gemacht. Das Unternehmen hat sich sehr gut entwickelt, ist schnell größer geworden. Und du bist dann im Hamsterrad drinnen und kommst nicht mehr raus. Du hast aus dem Unternehmenswachstum schon Bestätigung gezogen, aber die Lebensqualität fehlte. 

Deine Hamburger Firma war im Bereich Marktforschung tätig?

Wir haben viel im Segment der „Fast moving Consumer Goods“ gearbeitet - etwa für  Beiersdorf, die Telekom oder Procter & Gamble sowie im Automotivebereich, vor allem für BMW. Ich habe viel auf Vorstandsebene präsentiert, bin viel gereist - und  habe viele Vollidioten kennen gelernt. Vor allem auf Vorstandsebene sind extrem viele, ungute Leute. 

Inwiefern „ungut“?

Die stehen natürlich unter Druck. Sie haben zum Beispiel ein neues Produkt oder eine Idee, die sie umsetzen wollen. Und dann kommt jemand, der ihnen sagt, die Idee kann so nur bedingt umgesetzt werden oder sie wird nicht funktionieren. Dann wirst du als Übermittler der schlechten Nachrichten geköpft. Und wenn du vielleicht noch ein Team hast, das für den Kunden arbeitet, dann kannst du denen eben nicht sagen: „Weißt du was, du kannst mich mal“. Sondern du musst da schön buckeln und das habe ich oft genug erlebt. Viele haben keine soziale Kompetenz, die geht irgendwann flöten und sie behandeln dich als Dienstleister dann im Prinzip wie ein Stück Dreck. Wenn du viele, viele Stunden, mit vielen, vielen Leuten, die dir nicht gut tun, zusammen bist - das zehrt. Ich habe dann das große Glück gehabt, dass ein börsenorientiertes, amerikanisches Unternehmen in den deutschen Markt wollte. Die hatten meine Firma schon immer auf dem Schirm. Wir haben ein paar Mal gesprochen und letztlich haben sie das Unternehmen gekauft. Meine Mitarbeiter wurden übernommen. Die Firma existiert heute noch und es läuft gut. Ich habe alles sauber übergeben und war super happy. Es hat alles wunderbar gepasst.

Was ist dann danach mit Dir als Person passiert? Fällt man dann erstmal in ein Loch, wenn man zuvor so viele Jahre auf sein Unternehmen fokussiert war?

Ich bin vom Naturell her keiner, der jetzt am Swimmingpool liegen kann. Ich muss wirklich arbeiten. Am Anfang habe ich noch gesucht, aber ich wusste nicht genau, was ich machen wollte. Als passionierter Weintrinker hatte ich schon immer die Vision vom Weinanbau und habe mir gesagt: „Irgendwann machst du mal etwas mit Wein“. Dann habe ich mich umgeschaut. Mallorca war damals eigentlich nicht meine erste Wahl. Durch meinen Vater aus Süditalien ziehe ich das Dolce Vita in Italien Spanien vor. Bis heute. Die Leute haben mehr Style, mehr Lebenskultur und auch das italienische Essen ist für mich besser. Die Entscheidung für Mallorca war geprägt von der Infrastruktur. Knapp zwei Stunden fliegen und du bist in einer anderen Welt. Ich bin dann öfter auf die Insel gekommen und habe das zu schätzen gewusst…

Wann war das ungefähr?

Die Firma habe ich 2007 verkauft, aber ich bin schon seit 2003 regelmäßig hergereist und hatte eine Wohnung hier. So fängt es an: Man hat eine Wohnung, fliegt hin und her und irgendwann habe ich gesagt: „Ja, jetzt geht das!“ Ich wollte etwas mit Wein machen und auf gar keinen Fall wieder in dieses Hamsterrad hinein. Etwas kleines, feines schwebte mir gedanklich vor. Ich bin ja auch praktisch Quereinsteiger, mehr oder weniger Autodidakt. Es war nicht so, dass ich von Anfang daran glaubte, irgendwann ganz tolle Weine zu produzieren. Ich wusste gar nichts. Ich habe gedacht: „Naja gut, du probierst es mal“. Auf der ganzen Insel habe ich mir Sachen angeschaut, Bodenanalysen genommen. Das hier war früher schon ein riesiges Weinanbaugebiet.

Hier wurde schon einmal Wein angebaut?

In Llucmajor ist heute nichts mehr. Die Reblaus hat hier Ende des 19. Jahrhundert alles platt gemacht. Rekultiviert worden ist der Wein dann in Benisalem, aber in dieser Gegend hatten die Leute die Schnauze voll und haben fortan Mandelbäume und Oliven angepflanzt. Und ich bin einer der Ersten, der hier wieder Wein anbaut. Ob das jetzt gut ist oder nicht, das werden wir noch sehen. Es gibt jetzt dieses Feuerbakterium - eine ähnlich große Gefahr wie damals die Reblaus. Man weiß noch nicht wo die Reise hingeht. Es ist schon auf der Insel und in Europa angekommen. In Apulien hat es, vor allem was Olivenbäume angeht, alles platt gemacht. Es geht auch auf die Olivenbäume.

Da gab es Ernteausfälle von bis zu 70 Prozent…

Ganze Landstriche voller Olivenhaine sind platt. Das ist halt so und es gibt keine Möglichkeit, etwas präventiv zu machen. Wenn du einen befallenen Stock hast, musst du eigentlich hundertfünfzig Meter drum herum Tabula rasa machen. Dann wäre bei mir hier Schicht im Schacht.

Mit diesem 1,6 Hektar großen Gebiet in der Nähe von Llucmajor hast Du die wohl südlichste Bodega auf der Insel. Für viele passionierter Weintrinker ist so ein eigenes Weingut eine romantische Vorstellung. Wie viel ist von der Romantik hängen geblieben?

In der Tat kommen Einige auf mein Weingut, die das auch gerne machen würden. Ich sage immer: „Lasst es!“ Natürlich sieht es schön aus hier. Alles ist grün und wunderbar, aber du bist natürlich gebunden. Wenn man, wie ich, ökologisch arbeitet, dann musst du spritzen und kannst nicht mal während der heißen Zeit eine Woche weg. Und du musst unzählige Male durch den Weinberg bis die Ernte ist und dann letztendlich der Wein produziert wird. Ich habe damals einfach gesagt, ich probiere das mal. Meine beiden Onkel waren Winzer und so hatte ich schon erste Berührungspunkte. Schon als kleiner Bub habe ich mal im Keller, mal im Weinberg gearbeitet.

Wo war das?

In Kernen im Remstal und in Apulien. Das ist der gleiche Breitengrad wie hier, deshalb passt es auch ganz gut. Die haben früher noch mit einem Muli gearbeitet - was ich jetzt nicht tue. Ich habe auch schon darüber nachgedacht. Das ist  keine Marketingblase, denn mit dem Traktor verdichtet man den Boden. Der Boden muss bearbeitet werden. Ich bin meines Wissens der einzige Winzer hier auf Mallorca, der komplett auf Bewässerung verzichtet: Bei mir gibt es keine Schläuche, meine Pflanzen kriegen nur das, was an Regen herunterkommt.

Wie schafft man das, vor allem wenn es sehr trocken ist?

Zwischen meinen Reben siehst Du Bohnen. Die habe ich eingesät, bin schön von Hand mit dem Beutel durchgelaufen. Das sind Leguminosen, Stickstofflieferanten. Die werden die nächsten Wochen geschnitten und bilden eine Biomasse. Das ist der beste Naturdünger, den du haben kannst - und dadurch speichert der Boden auch wieder besser die Feuchtigkeit. Also letztendlich muss man sich das so vorstellen: Du hast einen dunklen Boden. Die Sonne knallt herunter, im Jahresdurchschnitt acht Stunden am Tag. Es knallt, knallt, knallt und der Boden geht auf, über diese Haarrisse kommt die Feuchtigkeit heraus. Du musst diese Haarrisse immer wieder zerstören. Also fährst du mit dem Grubber durch und zerstörst die Kapillare. Es entsteht eine Sperrschicht und die Feuchtigkeit bleibt im Boden.

Interessant…

Du musst schon den Boden lesen können. Das solltest du nicht zu oft machen und das musst du im Gefühl haben. Ich habe fast keine Rebenausfälle, das heißt die Reben überleben es. Aber wenn die Rebe im Trockenstress ist, dann sagt sie irgendwann: „Jetzt habe ich die Schnauze voll, jetzt mache ich nicht mehr“. Das heißt: Sie bildet keinen Zucker mehr. Und Zucker ist Alkohol. Und das zeichnet meine Weine aus: Dass sie einen relativ niedrigen Alkoholwert haben. Was ich auch so möchte, weil Alkohol braucht kein Mensch. Ich habe zum Teil Rotweine mit 11 Prozent. Das ist Pillepalle für die Insel. Meine Topweine haben 12,5 Prozent und trotzdem eine Fülle, eine Breite. Durch die fehlende Bewässerung habe ich extrem kleine Trauben. Und mir geht es nicht darum, viel zu produzieren, sondern ich will es etwas anders machen. 

Für Dich ist der qualitative Ansatz entscheidend?

Ich habe Spaß an schönen Weinen. Also mache ich die Weine in erster Linie für mich selbst und ich muss mich selbst nicht verarschen. Ich spritze nicht mit Herbiziden und die Bodenbearbeitung ist ein erheblicher Mehraufwand, den der Verbraucher beim Wein oftmals nicht bezahlen will. Das ist wie bei dem Hähnchen, dass er bei Aldi oder bei Lidl für 2,50 € holt. Bei Aldi gibt es den Industriewein schon für 1,99 € - und ich zahle allein 75 Cent für einen Korken. Meine Weine sind natürlich auch preislich auf einem anderen Niveau.

Welche Rebsorten baust du an?

Ich habe Cabernet Sauvignon,  Merlot, Shiraz, Chardonnay und jetzt Callet. Der ist übrigens autochthon. Mit den Rebsorten kann man sehr gut arbeiten.

Um noch einmal auf die Romantik zurückzukommen. Die können wir knicken, oder?

Die Romantik gibt es schon. Aber ich muss wirklich vorher wissen, ob das Ganze nicht in einem Albtraum endet. Wo wir jetzt sitzen, das war früher eine Garage. Und in die Garage habe ich von Anfang an, eine Fußbodenheizung einbauen lassen. Das war für mich so eine Reißleine. Ich dachte mir: Du fängst jetzt an mit dem Wein und fragst dich vielleicht nach zwei Jahren: Was hast du dir angetan? Und ich dachte mir, in dem Fall verkaufst du das Ganze. Dann kann hier irgendjemand ein Apartment einbauen. So habe ich mir das Hintertürchen offengehalten. Ich wusste am Anfang auch nicht, wie es sich entwickelt. 

Du hast als Quereinsteiger hier bei Null angefangen - mit 1,6 Hektar Weinreben. Hattest Du am Anfang fachliche Unterstützung?

Die ersten zwei Jahre habe ich mit einem Önologen gearbeitet, der mich im Weinberg und beim Ausbau beraten hat. Mittlerweile mache ich es komplett selbst. Weinmachen ist keine schwarze Kunst. Man muss sauber arbeiten und ein Händchen dafür haben. Wenn du ein schlechter Journalist bist oder ein schlampiger Maler, dann kommt auch nichts Vernünftiges heraus. Und ich glaube, dass ich das gewisse Fingerspitzengefühl mitbekommen habe und ganz vernünftige Sachen mache. Und auch, dass ich ein bisschen Glück habe.

Glück hat immer nur der Tüchtige. Mit welchen Schwierigkeiten hattest Du zu kämpfen, als Du diesen Re-Start hier auf der Insel gemacht hast?

Auf der Insel zu bauen, ist kein Spaß. Die ganzen Genehmigungen, und, und, und. Das ist echter Irrsinn. So im Nachhinein wüsste ich nicht, ob ich das heute noch einmal machen würde. Auch beim Bauen ist hier alles anders. Nehmen wir die die Bauunternehmen. Da entscheidest du dich für ein deutsches Unternehmen, die sind zwei Jahre auf der Insel und danach siehst du die nie wieder. Spanier sind von der Qualität und Bauweise her anders. Das ist schon eine Herausforderung, so ein Projekt zu stemmen. Es sind so viele, viele Kleinigkeiten und es ist auch nicht so, dass die ganze Welt auf mich gewartet hat: „Hurra! Endlich kommt ein Deutsch-Italiener und baut hier Wein an“. Da werden dir auch Prügel zwischen die Beine geworfen und du musst schauen, wie du dich durchmogelst. Aber es hat ganz gut geklappt und Kirsten Hahn hat mich da mit ihrer Erfahrung toll unterstützt.

Wie lange hat es gedauert vom Spatenstich bis zur Fertigstellung?

2009 haben wir das erste Mal gepflanzt: Mit Kreidestaub markierten wir, wo das Haus stehen sollte und haben dann gesagt: „Da und da können wir pflanzen“. 2010 ist das Haus gebaut worden und 2011 die Bodega. Also: 2,5 Jahre Bau.

Hört sich nicht gerade nach Entspannung an, nach all den Jahren Vollgas in der eigenen Firma. Das erinnert vielmehr an den Wechsel des Hamsterrades…

Ja, vielleicht war es auch nur ein Wechsel des Hamsterrades, aber ein bequemer. Ich kann das Tempo vorgeben und das war früher nicht so. Es war eng, kalt und feucht und ich musste relativ schnell laufen in dem Rad. Heute ist das anders. Mir macht die Arbeit wirklich Spaß und ich mache wirklich alles selbst: Ich habe die Maschinen hier, fülle ab, verkorke und etikettiere. Das ist eigentlich völlig gegen den Trend. Du holst dir irgendeinen Dienstleister, der kommt mit seinen Anhänger und dann gehen hinten die Flaschen mit Etikette, verkorkt und mit Kapsel raus. Das mache ich im Prinzip alles von Hand.

 Wie viele Flaschen produzierst du im Jahr?

10.000 ungefähr.

Was muss ich tun, damit ich einen Deiner Weine kosten kann? Kann ich als Tourist vorbei schauen, anrufen und verkosten?

Ursprünglich war das hier der „Club de Vino 953“. Mit dem wollte ich Reben-Paten machen. Du konntest die Rebenpatenschaft von einem Holzpfosten bis zum nächsten übernehmen. Das waren knapp über tausend und ich wollte darunterbleiben. Was hört sich gut an? Und so wurden es 953. Über das Internet konnten die Leute Patenschaften abschließen: drei oder fünf Jahre, was zwischen 400 und 700 € kostete. Ich hatte ganz schnell über 250 Leute im Topf. Das war wirtschaftlich sehr erfolgreich, aber das war es dann auch schon. Es waren viel zu viele und die Leute haben mich gegängelt. Genau das, was ich nicht wollte. Die Bodega ist ja geschlossen und ich habe ursprünglich gedacht, ich mache ein paar Events und das reicht. Im Sommer klingelten dann jeden Tag zwei, drei Leute: „Wir sind zufällig auf der Insel“. Das Problem war ganz einfach, dass ich die Leute nicht gekannt habe. Also sagen wir mal das Konzept, dass ich da entwickelt habe, hat getragen, zumindest ökonomisch, aber für mich nicht! Irgendwann habe ich mich gefragt: Was machst du hier überhaupt? Jetzt kommst du wieder irgendwo hin, wo du nicht hinwillst. Und da habe ich wieder die Reißleine gezogen und mache jetzt diesen Wein- und Genussclub. 

Und wie funktioniert der Club? 

Ursprünglich war vorgesehen, dass die 953 Mitglieder komplett meinen Wein kaufen. Also zehn bis zwölf tausend Flaschen. Dann bekommt jeder zehn bis zwölf Flaschen. Aus die Maus. Ich bin momentan dabei, den Club umzubauen und ganz selektiv Leute herauszupicken. Also da geht es nicht ums Geld, Titel, ein großes Auto, Boot oder was auch immer, sondern tatsächlich um Sympathie. Und dass man die richtigen Leute hier zusammenbringt. Das soll jetzt halt in einem engeren Rahmen stattfinden, wie es früher war, und die Leute, die jetzt im Club sind, die bekommen im Prinzip meine Weine. Momentan habe ich um die 30 Mitglieder. Es sind viel Patenschaften ausgelaufen und ich habe ein paar Sachen geändert. Ohne, dass du den Leuten wehtust, sind jetzt einige durchs Raster gefallen. Da 30 Leute eben nicht 10.000 Flaschen kaufen, musste ich mir Gedanken über den Rest machen. Und deshalb habe ich jetzt angefangen, mit Restaurants zu arbeiten. Auch als Nichtmitglied kannst du in den Restaurants meine Weine probieren. Aber die Bodega ist nicht öffentlich für den Weinverkauf.

Deine Weine haben eine ganz eigene Stilistik. Wie würdest Du die beschreiben?

Es sind feine, klare, saubere Weine. Ich kombiniere die klassische Vorgehensweise. Wir treten beispielsweise die Trauben noch richtig. In den Traubenkernen stecken Gerb- und Bitterstoffe. Verletzt du die Kerne, dann gehen die Bitterstoffe in den Wein hinein. Das Beste ist daher wirklich der menschliche Fuß, denn der gibt nach und dann trittst du die Trauben, maischst sie ein. Ich pumpe die Maische auch nicht, sondern es kommt alles wirklich mit dem Eimer in den Tank. Dann mache ich viel über Falldruck. Es ist wie bei einem Baby. Die ersten vier fünf Tage stehe ich alle fünf Stunden auf…

Ist das dann so wie Orange Wine mit der Maische?

Nein. Orange Wine ist es nicht. Rotwein vergärt mit der Maische. Beim Weißwein machst Du Most. Über die alkoholische Gärung entsteht CO2 und das drückt die Trauben immer hoch. Das was oben ist, nennt man den Maische-Kuchen. Da sind die Phenole und das, was den Wein ausmacht, drinnen. Und wenn der antrocknet, dann geht natürlich viel verloren. Es gibt Möglichkeiten, das automatisiert immer wieder herunter zu drücken. Das mache ich nicht. Ich stelle mir wirklich nachts einen Wecker, gehe im Schlafanzug schnell rüber und drücke den Maischekuchen wieder runter.

In welchem Stundenrhythmus musst Du aufstehen?

Alle fünf Stunden mache ich das an den ersten vier Tagen. Das ist nicht schlimm. Ich sage immer: „Du musst nicht bekloppt sein, um Wein zu machen. Aber es hilft“. Wenn Du Spaß dran hast, dann spielt das keine Rolle. Ich habe spezielle Weine und die sind sehr schnell in die Top-Gastronomie reingekommen. In Deutschland bin ich im Restaurant Vendôme im Schloss Bensberg, drei Sterne. Dann im Aqua im Ritz Carlton, auch drei Sterne. Frank Rosin, zwei Sterne, hat auch meine Weine. Dann bei Juan Amador mit jetzt zwei Sternen in Wien. Der erhält von mir eine Limited Edition. Er hat einen meiner Weine probiert, wollte ihn unbedingt haben und jetzt mache ich für ihn eine eigene Linie. Und hier auf der Insel habe ich das Lokal Es Raco des Teix, das einen Weißwein von mir richtig gut verkauft. Es sind schon andere Weine. Kein Mainstream, sondern für Leute, die sich auf andere Weine einlassen und und wissen, was dahintersteckt.

Du hast für Deine 10.000 Flaschen ein relativ breit gestreutes Sortiment mit einer komplett eigenen Charakteristik.  Wen ich jetzt zum Beispiel ins Schloss Bensberg gehe und mich von Marco Franzelin, dem Sommelier des Jahres 2017, beraten lasse - welchen Deiner Weine sollte ich probieren?

Der Sommelier muss erst abfragen, was du magst. Ich habe zum Beispiel einen 100-prozentigen Callet, den finde ich persönlich super schön. Der ist kein Easy-Going-Wein, sondern anders, mit wenig Tannin. Ein stilistisch feiner, sauberer, klarer Wein, den auch nur Leute zu schätzen wissen, die eben auf solche Weine stehen. Und wenn ich laute, schreiende Weine will, dann werde ich sagen: „Den können Sie gleich wieder mitnehmen.“ Also deshalb musst du dich am Kunden orientieren und es ist schwer zu beantworten.

Verständlich, dass sich das Ganze nach dem Verbrauchergeschmack richtet.

Ich habe meine Weine zwei Jahre im Fass und lasse sie ein weiteres Jahr in der Flasche reifen. Die Flaschenreife wird oft unterschätzt, aber macht wirklich viel aus. Es heißt ja immer, Weißwein muss frisch sein. Meine Weine sind zwischen sieben und zwölf Monate auf der Feinhefe. Ich habe unten im Keller Beton-Eier für den Weißwein. Einmal in der Woche mache ich eine Batonnage und wühle die Feinhefe auf. Da gehe ich einen ganz anderen Weg. Das ist ein breiter, cremiger Wein durch die Batonnage. Und das ist eben auch kein Wein, der sich Jedem sofort erschließt. Da muss man sich drauf einlassen…

Ist es bei Dir schon mal vorgekommen, dass Du eine Auslese nicht genommen oder verwertet hast?

Ich hatte mal einen Weißwein, der hat meinen Ansprüchen nicht genügt. Den habe ich nicht verkauft. Auch mein Flaggschiff in 2014 wird es nicht geben, weil es von der Stilistik her nicht so geworden ist, wie ich das eigentlich möchte. Den gibt es dann einfach nicht. Da bin ich wirklich konsequent.

Das heißt: Du hast selbst sehr hohe Ansprüche an Dich und Dein Produkt. Könntest Du uns Dein Sortiment kurz skizzieren?

Das Flaggschiff, zumindest preislich, ist die Amada Tessa. Das ist ein Bordeaux Blend - heißt Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Merlot. Ein ziemlich runder Wein im 11er-, 12er- und 13er-Jahrgang. 2014 war er für mich nicht so, wie ich das haben wollte. Dann produziere ich außerdem einen reinen Cabernet Sauvignon, der liegt preislich ein Stück darunter, ist aber auch ein schöner Wein. Dann gibt es einen 100-prozentigen Callet und meinen Chardonnay.

Jetzt kommt neu ein Rosé auf den Markt?

So ist es. Der ist 62 Prozent Cabernet Sauvignon und 38 Prozent Callet. Der Cabernet gibt ihm eine schöne Säure. Das ist hier auf der Insel nicht so selbstverständlich und der Callet sorgt für das Runde und macht den Wein ein bisschen weicher. Die Tannine werden ein bisschen abgemildert. Ich bin ganz happy damit!

In Deiner Bodega hast Du immer wieder Koch-Events, bei denen Du auch Sterneköche wie Juan Amador hier hast. Wie kann man sich das vorstellen?

Juan Amador hat in Deutschland die molekulare Küche etabliert, in Frankfurt und Mannheim lange Zeit auf Drei-Sterne-Niveau gekocht und ist jetzt der Liebe wegen nach Wien umgezogen. Da hat er erst vor kurzem Zwei Sterne bekommen. Er fand meine Weine wirklich gut, darüber sind wir in Kontakt gekommen und so ist eine Freundschaft entstanden.

Das heißt die Sterneköche kochen bei Dir in dieser schönen, kuschligen Bodega?

Diese Events sind nur für Mitglieder. Die Köche kochen auf meine Weine abgestimmt. Das ist es auch, was die Sache so interessant macht. Wir haben eine offene Küche. Und wann hast du schon die Chance, einem Sterne-Koch über die Schulter zu blicken. Das ist hier kein Restaurant sondern eine Küchenparty. Die Leute stehen auf und können zuschauen: „Wie kocht denn der?“ Juan Amador hat zum Beispiel ein Zanderfilet gemacht mit Schaschliksoße. "Das kann man doch nicht essen", würden die meisten sagen. Ich habe meine größte Hochachtung, weil es einfach eine extreme Begabung ist, so mit Lebensmitteln umgehen zu können und im Kopf so verrückte Sachen zu kreieren. Vor kurzem sagte er auf Facebook: Bei ihm sind Kochbücher verboten, denn ein guter Koch muss Bauch und Herz haben. Das ist echt großes Kino und ich habe extrem Spaß an gutem Essen und gutem Wein.

Was muss ich machen, um bei Dir Mitglied zu werden? 

Sich einfach mal vorstellen. Es geht nur über persönliches Kennenlernen. Und dann muss man halt einfach sehen, ob das passt oder nicht. Die Chemie muss stimmen. Ich hatte viel zu lange Menschen um mich, die mir nicht gut tun. Der Club ist für mich eine reine Wohlfühlgeschichte. Ich möchte den Spaß und die Leidenschaft mit Menschen teilen, die eine ähnliche Denke haben, wie ich. Wenn du einmal die Flaschen hier anschaust: Also wir haben schon einige Top-Weine verkostet. Vor kurzem haben wir den Penfolds Grange aufgemacht. Da kostet so eine Flasche mal 1000 €. Den trinkt man nicht einfach mal alle zwei Wochen. Aber wenn du mal 18 Leute hier hast und die einfach sagen: Weißt du was, wir probieren jetzt mal einfach ein paar schöne Weine. Und dann legt jeder ein paar hundert Euro auf den Tisch. Das ist auch viel Geld, aber dafür kannst du dir auch echt schöne Weine holen. Und das sind Leute hier, die wirklich Spaß daran haben und die nicht in der ersten Linie auf dicke Hose machen. Sondern da gönnt man sich einfach mal etwas und schaut. Zum Beispiel haben wir einen 97er Mouton Rothschild aufgemacht. Das war wirklich gar nichts für mich. Die haben noch diesen Brett-Ton und das widerspricht so ganz meinem Weinstil.

Wenn man Mitglied bei Dir wird, was kostet so eine Mitgliedschaft?

Ich bin dabei, das Konzept ein bisschen umzustricken. Es wird künftig eine jährliche Fee geben und im Gegenzug dazu exklusiven Zugang zu meinen Weinen mit einer bestimmten Flaschenanzahl. Darüber hinaus haben wir einmal im Jahr einen großen Event. Das nennen wir dann „Wissen und Wein“: Alle Mitglieder werden eingeladen. In jedem Fall haben wir immer Referenten dabei - beim letzten Mal zum Beispiel Jemanden vom Integrationsteam von Angela Merkel, der über die neuen Medien gesprochen hat. Oder den Schauspieler Ralf Bauer, der einen Teil eines aktuellen Bühnenstücks hier aufgeführt hat. Also Wissen und Wein heißt dann, dass du auch etwas für die Birne mitnimmst. Deshalb ist es auch wichtig, dass die richtigen Leute zusammenkommen, für die der Spaß im Vordergrund steht. Das ist die Ausrichtung.

Gerade wenn man wie Du alles selbst macht, steckt unheimlich viel Arbeit dahinter. Hast Du überhaupt noch die Gelegenheit die Insel an sich zu genießen? Und wenn ja, wo?

Na klar! Es sind zwar 1,6 Hektar. Aber ich stehe nicht um sechs Uhr auf und arbeite bis neun Uhr abends durch. Es gibt schon Hochzeiten, wo viel zu tun ist, aber auch Phasen, wo weniger anfällt. Ich bin leidenschaftlich und esse gerne gut. Und da gibt es auf der Insel mittlerweile sehr, sehr viele Anlaufstationen.

Deine Tipps für unsere Community?

Das kommt drauf an, worauf man gerade Lust hat. Ein Tipp wäre Emilio Innobar – asiatisch-mexikanisch-mediterrane Fusionsküche mitten im Herzen von Palma. Ist zwar kein Super-Geheimtipp, aber es lohnt sich, denn er macht es wirklich gut. Für gehobene Küche empfehle ich das Es Raco des Teix in Deia, außergewöhnlich gute Sterneküche. Dann Moli des Torrent in Santa Maria. Sehr guter Laden, der vom Ehepaar Himbert geführt wird: Er in der Küche und sie im Service. Und sie ist wirklich ein „Brain“. Speichert die Kunden sofort ab. Auf jeden Fall sehr schön, da zu essen. Wenn man Fisch mag, ist Las Sirenas, in Arenal eine Empfehlung. Das Lokal kennt kaum jemand. Es sieht völlig speckig aus, mit Kacheln aus den 70er- Jahren. Das ist so schlimm, dass es schon fast wieder gut ist. Aber da kannst du zum Beispiel wirklich superguten Fisch essen.

Also eine echte Perle?

Das ist so ein kleiner Hafen mit kleinen Fischerbooten. Bei Arenal denkt man immer direkt an Ballermann. Aber ins Las Sirenas sollte man wirklich mal gehen. Die Fischplatte ist ausgezeichnet und man genießt die ganze Spannweite. In Santa Catalina gibt es auch viele richtig gute Sachen. Das Amaya zum Beispiel. Das Sumaq, ebenfalls in Santa Catalina, finde ich auch sehr gut. Die kochen peruanisch und auch Fusionsküche auf einem sehr hohen Niveau. Und es ist sehr ansprechend von der Einrichtung her.

Und wo sind die drei schönsten Plätze für Dich auf der Insel?

Cala Blava. Das ist eine Steinküste und da kann man wirklich herunterlaufen. Unten sind dann keine Sandstrände sondern Stein. Das ist wunderbar, wenn man einen Hund hat. Du kannst da kilometerlang marschieren. Das liegt in Richtung Cala Pi. Von den Dörfern her finde ich Santany toll. Das gibt es viele kleine Läden, wo du schön shoppen kannst und dann in Santa Maria der Markt. Hier bekommt man richtig gutes Obst und Gemüse. Außerdem sollte man mal nach Arenal gehen. Vielleicht nicht im Juli oder August. Aber das ist ein wirklich schöner Strand. Der Ort hat sich mittlerweile wirklich gemausert und es gibt schöne Clubs und Lounge-Restaurants.

Ein Satz der Dich beschreibt?

Ehemaliger Extreme-Workaholic, der jetzt angekommen ist, seine Zeit einteilen kann und genießt. Das war mir früher nicht möglich, weil ich komplett unter Dampf stand. Das bin ich immer noch, aber ich kann steuern. Wenn ich Wein mache, bin ich auch angespannt. Aber kein Vergleich zu früher. Ich kann genießen.

Lieber Frank, herzlichen Dank für das Gespräch!

(Anm. d. Red.: Das Interview wurde im April 2017 geführt.)

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