Sophie Gräfin Goëss-Enzenberg - Lifestyle-Insider.com

Sophie Gräfin Goëss-Enzenberg

INTERVIEW

Mit uns sprach die Hausherrin des Weinguts Manincor über Traditionen, Lieblingsweine und absolute Must-Do‘s im Süden Südtirols.

16. Juni 2017

 

Gräfin Sophie, beginnen wir mit einem Spruch, der Sie beschreibt?

„Vincat affectum ratio“ -  die Vernunft möge über die Leidenschaft siegen. Die Leidenschaft gehört dazu, aber ohne Vernunft geht es nicht. Vernunft heißt für uns in Manincor, ganz gezielt unsere Partner auszusuchen, aber sie auch leidenschaftlich zu begeistern, für das Naturnahe. „Back to the roots“, und das ist in den letzten Jahren ein bisschen verloren gegangen.

In Manincor wird Tradition gelebt. Man sieht es auf Ihrer Website, im Shop und dem Weinkeller…

Tradition ist ein Wert, der für uns ganz selbstverständlich ist. Die Wurzeln unserer Familie gehen über 400 Jahre zurück. Auch die Erhaltung von Ruinen wie Leuchtenburg und Maultasch in Terlan sind heute noch eine große Verpflichtung. Tradition heißt für uns ein temporäres Verwalten dieses Erbes, aber auch ein Weitergeben an die nächste Generation - und im besten Falle modernisiert und vermehrt. 

Der Markt für Weine ist kein leichter Markt, ein Verdrängungsmarkt… Umso wichtiger ist, dass man konsequent seinen Weg geht?

Wenn Sie in letzter Zeit Statistiken angeschaut haben, wie wenig der Europäer heute für Lebensmittel ausgibt, dann gibt’s da eine ganz klare Botschaft: Man schaut, wo man günstig, aber trotzdem noch ein bisschen Bio einkaufen kann. Wenn Sie mich fragen, wird zu wenig für Lebensmittel ausgegeben. Wir konzentrieren uns auf Qualität. Unser Erfolg im Ab-Hof-Geschäft gibt uns Recht. Wir liegen direkt an der Weinstraße und wir versuchen insbesonders Emotionen zu transportieren. Die Leute kommen, um zu schauen und nehmen neben unseren Weinen auch Informationen sowie Gefühle mit. 

Das spiegelt sich auch im Firmennamen und Logo von  Manincor wieder. Hand aufs Herz, wie sind Sie darauf gekommen?

Manincor heißt der Ansitz, der von Hieronymus Manincor 1608 an diesem wunderschönen Ort mit 12 Hektar Rebfläche erbaut wurde und der bis heute als Ensemble erhalten werden konnte. Das möchten wir auch weiterhin so handhaben. Wir haben drei Kinder und sprechen schon heute über die Betriebsübergabe. Aber eines ist sicher: Manincor muss eins bleiben. Seit 1996 ist Manincor auch eine Marke. Unsere Kinder sind heute junge Erwachsene, die das Kapital dieser Marke sehr zu schätzen wissen - gerade in der heutigen Ellenbogengesellschaft. Unsere Kinder haben immer unsere Freude am Wein gespürt und sind quasi mit dem Traktor aufgewachsen.

Ein Wort zum Umbau Ihrer Weinkellerei. Was war die größte Herausforderung?

Die Bauzeit ging über 17 Monate. Angefangen haben wir im November 2002 und wiedereröffnet am 04.04.04. Der Bau an sich war eine Herausforderung, aber die wichtigste Phase kam eigentlich erst in den darauffolgenden vier Jahren. Es ist an sich einfach ein Gebäude zu errichten, aber die Seele, die Mitarbeiter und das Arbeiten im Team, das muss erst wachsen und ist das, was das Geschäft am Laufen hält. Wir haben ja verschiedene Bereiche, die gerade hier in Italien unheimlich viel Bürokratie erfordern: Wein, Äpfel und verschiedene Immobilien. Seit 2008 haben wir für das Weingut Helmuth Zozin als Direktor, der die Landwirtschaft, den Keller und den Verkauf verantwortet und ein wertvoller Partner an der Seite meines Mannes ist. Für mich ist das sehr angenehm. Ich kann repräsentieren, verkosten und dann die Kunden an die jeweils Verantwortlichen weitergeben.

Und wie funktioniert das Familien-Unternehmen in der Praxis?

Mein Mann und ich haben unterschiedliche Qualitäten, sind ein super Team. Damit das funktioniert, muss man sich immer wieder selbst reflektieren. Wertvoll ist, dass wir mit unserem Direktor eine Perspektive von außen haben.

Manincor ist heute der größte unabhängige Weinproduzent in Südtirol…

Es gibt hier in Südtirol drei Gruppierungen. Da sind einmal die Winzergenossenschaften, die es in Orten wie Kaltern, Eppan oder Tramin gibt. Dorthin liefern Weinbauern ihre Trauben. Dann gibt es die Weinhandelsbetriebe. Die Mitglieder haben einen eigenen Anbau und kaufen auch Trauben und Wein zu. Und dann gibt es noch die dritte Gruppe, das sind die Freien Weinbauern, zu denen wir gehören. Aktuell haben wir 98 Mitglieder in der Region, die über Weinberge zwischen einem und 50 Hektar verfügen. In Manincor produzieren wir alles im Eigenanbau und vermarkten uns komplett selbst. Etwa fünf Prozent der Südtiroler Weinbauern bieten biodynamischen Wein an, so wie wir.

Ein herrlicher Ausblick hier. Welche Tipps geben Sie Freunden, die hier zu Besuch sind?

Ich rate unseren Gästen gerne eine Unterkunft mit Frühstück. Garni ist ein Wort, das ich vor meiner Zeit in Südtirol nicht kannte. Aber hier macht es einfach Sinn und bedeutet Freiheit. Freiheit, die es zulässt sich jeden Tag für ein anderes Restaurant zu entscheiden, die Region mit allen Sinnen zu erleben und zu genießen. Nächtigen Sie in einem der zauberhaften Schlosshotels, zum Beispiel im „Schlosshotel Englar“: Hier gibt es ein großartiges Frühstück, mit frischen Rosen auf dem Tisch und einem herrlichen Ausblick über Girlan. Allein das Ankommen dort ist ein Erlebnis. Vor dem Schloss steht eine riesengroße Zeder mit einer Traumschaukel, wo selbst ein Erwachsener einfach in den Himmel fliegen möchte. Dort laufen verschiedene Hennen herum und auch ein Pfau schaut mal vorbei.

Wenn schon garni, wo geht man dann gut essen?

In Südtirol gibt es unzählige erstklassige Restaurants und Buschenschenken. Suchen Sie Bauernhöfe, wo die Bäuerinnen noch selbst kochen. Ein Beispiel in unmittelbarer Nähe ist die „Waldschenke Kaltern“ in Altenburg. Auch der „Panholzerhof“ ist ein Geheimtipp für eine Ruheoase am Kalterer See. Er liegt inmitten unserer Weinberge. Die Küche ist bodenständig gepflegt, italienisch angehaucht und mit regionalen Produkten. Ansonsten möchte ich Ihnen noch den „Ansitz Romani“ in Tramin ans Herz legen. Das ist ein wunderschönes Gebäude mit klassischem B&B-Service, aber auch einem sehr empfehlenswerten Restaurant.

Und noch ein Tipp?

Eines der ältesten, modernen Gebäude  hier in der Gegend ist das „Seehotel Ambach“ am Kalterersee. Da gibt es eine riesige Wiese direkt am See mit privatem Seezugang. Keine Action, dafür aber komplette Ruhe. Im Hotel kann man auch hervorragend essen, ist aber nicht verpflichtet dazu. Generell ist die Gegend ganz wunderbar zum Wandern und Radfahren und es gibt auch eine Menge Kultur. Aber ganz wesentlich dabei: Das Persönliche spielt hier bei uns in Südtirol eine große Rolle.

Persönlich ist das Stichwort. Ein Credo auch in Manincor…

Bei Interesse kann jeder bei uns anrufen und sich für eine persönliche Führung durch die Kellerei anmelden. Natürlich müssen wir bei der Fülle an Anfragen manchmal auch absagen, um unsere Kunden so persönlich wie möglich betreuen zu können. Heuer waren es übrigens 500 Gäste, denen wir die Räumlichkeiten gezeigt haben. Aber die Architektur ist nur das eine. Noch wichtiger ist, dass der Wein schmeckt. Nur dann haben wir eine runde Sache. Wir arbeiten daran und sind nie ganz zufrieden. Aber wie sagt man so schön: Das Gute ist der Feind des Besseren.

Wenn Sie mal Zeit hätten, eine Stunde wandern zu gehen, wo wäre das?

Direkt vor der Haustür gibt es hier viele tolle Routen. Zum Beispiel würde ich zu den Rosszähnen hinter der Leuchtenburg gehen. Oder ich würde durch die Rastenbachklamm wandern, zur Altenburg. Dort gibt es die St. Peter Ruine zu sehen. Das ist die wohl älteste Kirche Tirols. Empfehlenswert finde ich auch einen Spaziergang ins Frühlingstal zu den Montiggler Seen. Mein großer, schwarzer Hund Filou braucht immer Bewegung. Und so gehe ich jeden Tag. Manchmal auch mit meinem Mann und ab und zu schweigen wir dann die ganze Strecke und saugen einfach die Atmosphäre, Farben und das Licht auf.

Apropos Familie: Wie haben Sie und Ihr Mann sich kennen gelernt?

Wir sind beide Österreicher. Kennen gelernt haben wir uns auch dort. Ich bin ein Unternehmerkind aus Wien, mein Mann hat seine Wurzeln in Kärnten. Meine Schwiegermutter war eine geborene Gräfin von Enzenberg, deren ältester Bruder kinderlos war und meinen Mann adoptierte. Daher kommt auch der Doppelname Goëss-Enzenberg. Um das traditionsreiche Erbe anzutreten, verzichtete mein Mann Michael auf sein Steckenpferd, die Architektur - und studierte stattdessen Önologie. So konnten wir unsere Vision vom Weinanbau und der eigenen Kellerei in die Tat umsetzen. Wir produzieren gut 300 000 Flaschen im Jahr. Jedes Jahr ein bisschen mehr, da unsere jungen Anlagen jetzt voll im Ertrag stehen.

Wenn Sie mal einen Wein trinken, der nicht aus Ihrem Weingut stammt, welcher wäre das?

Ich liebe die Franzosen. Einen Burgunder - wenig Tannin, fruchtig und tief, aber nicht holzbetont. Da gibt es sehr elegante Weine. Ich trinke auch  gerne einen biodynamischen Wein aus Österreich. Die Österreicher liebe ich - zum Beispiel Weißweine von Fred Loimer oder Rote von Paul Achs, mit denen wir gemeinsam in der biodynamischen Weinbewegung „respekt“ arbeiten. Das verbindet. Österreich hat wieder viel mehr Südtirol entdeckt und umgekehrt. Wenn wir mit Gästen in Südtirol unterwegs sind, dann bestellen wir meist die Biodynamischen, einfach um Unterschiede zu zeigen.

Haben Sie ein Beispiel?

2014 war ein Jahr mit sehr viel Feuchtigkeit. Da mussten die konventionellen Winzer aggressiver handeln, als die Biodynamiker - und das kann man schmecken. Wir hatten 20 Prozent weniger Trauben letztes Jahr und mussten das verkraften. Weniger Trauben und mehr Arbeit - das bedeutet insgesamt einen Verlust. Aber wir haben trotzdem die Qualität hoch gehalten. 2014 sind sehr feine Weine entstanden. Die sind etwas schlanker und auch mineralischer. 2015 war hingegen ein Licht- und Sonnenjahr. Es kann nicht jedes Jahr gleich sein und jeder Jahrgang kann nicht gleich schmecken. Das bringt immer neue Herausforderungen, wenn man den Anspruch hat, das Beste daraus zu machen und die Natur zu respektieren.

Gibt es einen Lieblings-Rotwein?

Auch da würde ich wieder einen Franzosen wählen. Die Weine sind doch sehr beseelt. Mein Mann war erst kürzlich in Burgund und hat einige Schätze mitgebracht. Erst gestern haben wir einen vorzüglichen Nuits St. George getrunken.

Und aus Ihrem eigenen Weingut?

Das ist bei mir abhängig von der Verfassung und dem Tagessoll. Ich denke, ein Sauvignon, der heute geprägt von Salzigkeit ist. Von unserem Chardonnay „Sophie“ sagt mein Mann gerne: Der ist wie meine Frau, hat Kanten und Rundungen. Das stimmt - und so bin ich auch. Nicht umsonst arbeite ich in einem Männerbetrieb. 

Gräfin Sophie, zu guter Letzt: Vermissen Sie eine Frage, die wir heute nicht gestellt haben?

Nein, ganz und gar nicht. Heute ist ein schöner Tag mit viel Licht. Aber das ist nicht immer so. Das sage ich auch unseren Besuchern, die hier alles märchenhaft finden. Die Zeit des Umbaus war eine ganz große Durststrecke. Es gibt immer Sonne und Schatten - und wichtig ist es, für sich die richtige Balance zu finden.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Hat dir dieses Interview gefallen? Dann klicke gefällt mir