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Bobby Bräuer

INTERVIEW

Der Sternekoch verrät sein kulinarisches Gesamtpaket, den schwierigsten Moment seiner Karriere und wie es ist, für Gerhard Schröder zu kochen.

10. Februar 2017

Herr Bräuer, eigentlich heißen Sie ja mit Vornamen „Martin“. Woher kommt der „Bobby“?

Aus meiner Kindheit - und bis heute ist er mir geblieben.

Eine Ihrer ersten Stationen war in den Neunziger-Jahren Eckart Witzigmanns legendäres „Aubergine“ als Sous-Chef. Hat Sie das geprägt?

Auf jeden Fall. Witzigmann hat damals etwas ganz Besonderes gemacht: Er hat Drei-Sterne-Küche mit regionaler, alpenländischer Küche kombiniert. Wir haben so die komplette Bandbreite des Kochens miterlebt. Von Gänseleber über Hummer und Kaviar, bis hin zur gefüllten Kalbsbrust, Fleischpflanzerln und Kartoffelsalat. Auch das muss vernünftig und gut gemacht sein. Witzigmann hat das Traditionelle damit auf eine neue Ebene gehoben. Für ihn hatte auch das Mitarbeiter-Essen einen großen Stellenwert. Alles, was Du in die Hand nimmst, muss stimmen! Das ist Kochen!

Wie sind Sie eigentlich zum Kochen gekommen?

Wurzeln habe ich gewissermaßen: Mein Urgroßvater war Winzer, meine Urgroßmutter Köchin in Prag und meine Onkels väterlicherseits Hoteliers. Die letzten Generationen meiner Familie haben dann alle promoviert – und so sollte auch ich an die Uni. Doch nach zwei Semestern habe ich gemerkt, dass ich ein praktischer Mensch bin. Ich wusste, es sollte etwas in der Gastronomie werden. Ein guter Bekannter mit viel Lebenserfahrung riet mir dann zur Kochlehre und vermittelte mich zu Otto Koch vom „Le Gourmet“ am alten Messegelände.

So hat Otto Koch quasi Ihre Leidenschaft geweckt?

Es hat in der Lehre etwa ein halbes Jahr gedauert, bis der Schalter sich umgelegt hat. Dann gab es nur noch eins für mich: Kochen. Otto Koch hat uns viele Freiheiten gelassen. Das ist wichtig, denn als Lehrherr kannst Du einen Beruf komplett verleiden – oder eine Leidenschaft wecken.

Beste Adressen folgten: Im Restaurant Königshof haben Sie den ersten eigenen Stern erkocht, dann ging es nach Düsseldorf ins „Victorian“, später wurden Sie Küchenchef in der „Quadriga“ in Berlin und 2007 dort „Meisterkoch des Jahres“. Wo geht ein Sternekoch essen?

Das ist das Problem von uns Gastronomen. Wir haben Sonntag und Montag geschlossen – und da haben dann auch die meisten anderen Lokale zu. Meine Frau und ich sind aber auch gern zu Hause. Wenn Du den ganzen Tag unterwegs bist und erst nachts nach Hause kommst, dann bist Du froh, wenn du am Sonntagabend nur eine Kleinigkeit zubereitest, ein bisschen fernsehen kannst oder einfach nur redest. Natürlich gehen wir auch mal zu Kollegen. Das ist dann aber eher punktuell, ein bis zweimal im Jahr. Ich würde zum Beispiel gern mal zu Sven Elverfeld nach Wolfsburg. Vielleicht schaffe ich es ja dieses Jahr.

Auf die Frage nach Ihrem Kochstil sagten Sie einmal: „Ich bin Koch, kein Philosoph!“ und dennoch schaffen Sie in Ihrer Küche jeden Tag kleine Kunstwerke. Was inspiriert Sie?

Ich finde die Frage des Stils schwierig. Ein Koch sagte mal „Ich koche schwäbisch-mediterran“. Was soll das sein? Spätzle mit Zucchini?  Man sollte das nicht hochstilisieren. Wir überlegen im Team gemeinsam: Was hatten wir schon länger nicht? Was passt in die Jahreszeit? Was könnte man kombinieren? So entsteht unsere Karte.

Kommen wir in Ihr EssZimmer: Man sieht die Autos, ein sieben Meter hohes Weinregal und den Industrieschick. Die Karte inspiriert, das Personal ist zuvorkommend und am Ende des Abends zahlt man gerne die Rechnung. Doch der Wow-Effekt kostet...

Wenn Sie bei uns zu zweit gegessen haben, dann gehen Sie vermutlich mit einer Rechnung um die 400 Euro raus. Das ist schon ein Haufen Geld! Aber wenn man das auf Produkte, Zubereitung und Service umschlägt, ist es – wie bei den meisten Gastronomen übrigens – viel zu wenig. Wir sind allein acht Leute in der Küche. Das ist kein einziger zu viel. Im Service beschäftigen wir weitere acht Mitarbeiter und dann noch zwei Spüler, weil unser hochwertiges Geschirr richtig gehandhabt und teils per Hand gewaschen werden muss. Insgesamt sind also 18 Leute am Arbeiten für gut 40 Gäste. Das muss man in der Relation sehen.

Sie waren davor vier Jahre in Kitzbühel im „Petit Tirolia“, haben sich drei Hauben sowie 18 Punkte im Gault Millau erkocht und wurden 2012 „Koch des Jahres“ in Österreich. Was hat Sie dazu bewogen, nach München zurückzukehren?

Es war schon im September 2011 als mich Alexej Oberoi, die rechte Hand von Michael Käfer ansprach. Ich konnte mir das erst nicht vorstellen, bin aber doch hingefahren. Ich fand es spannend, eine große Aufgabe und Herausforderung – und habe zugesagt. Wir waren ein ganzes Jahr mit der Planung beschäftigt, nebenbei habe ich noch in Kitzbühel gearbeitet. Letztlich war das große Ganze entscheidend. Als ich unterschrieben habe, bin ich abends nochmal an diesem riesigen Gebäude vorbeigefahren, und fragte mich, wo die Reise wohl hingeht. Einen riesen Respekt hatte ich. BMW ist uns aber sehr entgegengekommen. Wir durften alle Restaurants überarbeiten – die Bavarie, die Biker’s Lodge, das Cooper‘s und eben auch das EssZimmer.

Und was haben Sie hier verändert?

Alles. Die Küche war früher offen und ist jetzt eingekastet worden. Der Industrieboden, der Empfangsbereich – alles neu. Nur der Weinschrank, die Deckenhöhe und die Fenster waren schon da, sonst haben wir gut 80 Prozent verändert. Architekten planen ein Gebäude meist durchgängig in einem Stil. Aber die Gastro ist oft anders. Nach fünf Jahren hat BMW auch gesehen, dass das eine, das andere nicht ausschließt. Die Eleganz und Wärme im Restaurant passt zur kühlen Atmosphäre des Gebäudes.

Ein Experiment, das sichtlich gelungen ist...

Wenn der Gast hier reinkommt, fühlt er sich wohl und ist beeindruckt von den Räumlichkeiten und dem Ausblick. Heute zählt das große Ganze: Wie wird man empfangen und zu Tisch gebracht? Wie ist der Service? Ist er aufmerksam, freundlich und geht auf mich ein? Ist er diskret, wenn ich geschäftlich da bin? Dann haben wir ja auch noch das Glück, einen Shuttleservice anzubieten. Da ist die Rechnung nicht das Letzte, was bleibt, sondern die Limousine nach Hause. Ich glaube einfach das Gesamtpaket macht’s. Denn der heutige Gast ist geschult, weit gereist und vergleicht.

Neben dem EssZimmer verantworten Sie auch die Bavarie, die Biker’s Lodge und das Coopers. Eine große kulinarische Range...

Vom Fine Dining bis zum Catering für 1000 Personen können wir alles machen. Das sieht man dem Gebäude von außen nicht an. Die Bavarie etwa hat eine tolle Terrasse mit Sonnensegel für 80 bis 90 Leute und einen Blick gen Norden auf das Olympiagelände – toll etwa bei Sonnenuntergang. Im Sommer veranstalten wir dort jeden Freitag ein Barbecue mit unserem Smoker.  Im nördlichen Teil des Gebäudes gibt es zudem eine überdachte Innen- und Außenterrasse für bis zu 250 Personen mit Loungemöbeln. Was viele nicht wissen: Unsere Restaurants sind öffentlich zugänglich.

Sie haben viele Auszeichnungen erhalten. Was bedeutet Ihnen das?

Was wir tun, ist ein Mannschaftssport. Natürlich steht einer vorne, gibt Richtung und Takt an. Aber wenn man keine Mannschaft hat, die mitzieht, ist man schnell allein auf weiter Flur. In der BMW-Welt haben wir in kürzester Zeit zwei Sterne und 18 Punkte bekommen. Das freut jeden im Team und macht stolz. Andererseits legen wir damit auch die Messlatte hoch – und müssen uns jeden Tag aufs Neue beweisen. Wir haben es hier auch, und vor allem, mit dem Faktor Mensch zu tun. Der ist einmal gut, einmal schlecht drauf und das musst du täglich abfangen.

Seit 35 Jahren arbeiten Sie in der Küche. Was war Ihr schwierigster Moment?

Das war in den 90er-Jahren. Wir haben immer die Weinproben von Hardy Rodenstock ausgerichtet. Das waren große Galas mit gut 150 Leuten und viel Prominenz, Kollegen, Testern und Journalisten. Hummer-Terrine gab’s einmal und das Gelee war einfach zu dünn. Beim Schneiden flogen mir die Scheiben weg und ich dachte wie soll ich da nur 120 Scheiben rausbekommen. Wir haben dann zusammengehalten: Einer vorne, einer hinten, einer rechts, einer links und ich habe geschnitten: Fünf Köche für eine Terrine – aber wir haben’s geschafft.

Verraten Sie uns Ihr Signature Dish?

Das habe ich nicht. Wir wechseln in der Küche immer auf der gesamten Bandbreite. Nächste Woche kommen etwa die Fischgerichte. Wenn die Karte dann gewechselt hat, überlegen wir schon wieder was wir als Nächstes bringen. Da spielt Saisonales eine Rolle, genauso wie die Akzeptanz. Wir hatten zum Beispiel vor eineinhalb Jahren mal Kaninchen auf der Karte. Das hat keiner gegessen. Vielleicht wegen dem süßen Tier zu Hause oder wegen Kindheitserinnerungen. In so einem Fall muss man dann schnell austauschen.  

Gibt es Nachwuchstalente, die Sie empfehlen?

Jan Hartwig vom Bayerischen Hof kocht grandios und hat eine große Zukunft vor sich. Er macht tolle Küche, witzige Küche, interessante Küche.

Interessante Küche – was ist das?

Eine interessante Küche ist die, die Geschmäcker herausarbeitet und sich auch mal an Dinge ran traut, die nicht so alltäglich sind. Ich hatte zum Beispiel gestern Seeigel-Mousse als Amuse Gueule. Der hat einen ganz speziellen Geschmack, sehr intensiv nach Meer. Ein Gast sagte mir dann, er fand das furchtbar. Natürlich kann man versuchen, den Geschmack der Allgemeinheit zu treffen. Oder man probiert einfach mal was Anderes aus. Das ist interessante Küche.  

Wenn ein Geschäftsmann seine Frau ausführt, die Veganerin ist, hat die ein Problem bei Ihnen?

Ja! Das ist wie, wenn Du zum Orthopäden gehst und sagst: „Ich hätte gerne Einlagen, in den Ohren tut’s mir auch weh und schauen Sie bitte mal auf die Zähne.“ Der Arzt erklärt Dir dann, dass Du bei einem Spezialisten bist, der nicht alles kann. Wir Köche, gehen den Spagat schon sehr weit. Vegetarisch ist kein Problem, können wir machen. Aber vegan schränkt ein und braucht eine ganz andere Vorbereitung. Da gibt’s Restaurants, die darauf spezialisiert sind.

Also kein Anhänger der veganen Kochkunst?  

Nein, weil ich mich so beschränken muss. Kein Käse, keine Milchprodukte, keine Eier – was habe ich da noch? Wenn man sich tiefer damit beschäftigt, kriegt man sicher Geschmäcker heraus. Wir sind aber kein veganes Restaurant.

Derzeit gibt es eine Menge Kollegen, die sich als Fernsehköche profilieren. Wäre das etwas für Sie?

Angebote gab es schon. Aber ich würde es nie tun. Die Köche im Fernsehen sind meist selbstständig, haben Ihr eigenes Restaurant, das sie damit promoten. Wir im Angestelltenverhältnis hätten ein großes Problem, da unheimlich viel Zeit verbraucht wird. Über‘s Jahr verteilt, sind das gute zwei Monate für die Dreharbeiten. Da hätte ich kein gutes Gewissen. Ich bin immer im Geschäft, wenn es geöffnet ist.

Sie haben in der Schweiz, Italien und Österreich gelebt. Wo gefällt es Ihnen am besten?

Überall war es schön und ich würde es auch jedem empfehlen, wenn man jung ist. Dann hat man wenig Gepäck und viel Flexibilität. In meinem Fall ging’s auch nicht nur ums Kochen. Man erlebt ein anderes Land, eine andere Sprache und ein anderes Savoir Vivre.

Gibt es einen bestimmten Rückzugsort, wo Sie gerne hinreisen?

Seit letztem April haben wir einen Schrebergarten und das macht viel Freude. Du siehst, wie lange es dauert, bis so ein Kohlrabi, eine Zucchini oder eine Gurke rauskommen. Das ist toll! Ich bin auch nicht mehr der Weltreisende, Europa reicht mir völlig und hat für mich alles in Sachen Kultur, Gastronomie und Landschaften.

Würden Sie sagen, ein bestimmtes Land gibt gastronomisch den Ton an?

Schwer zu sagen, denn viele Länder haben heute nachgezogen. Was es jetzt zum Beispiel im Baskenland in Spanien an tollen Restaurants gibt, ist enorm. Aber auch Schweden, Finnland oder Norwegen haben sich entwickelt. Weltweit muss man Australien und Neuseeland nennen und ich glaube, Peru ist gerade en vogue. Früher sagte man immer Frankreich – heute gibt es eben ein anderes Netzwerk auch durch das Internet.

Was sollte ein Hobbykoch Ihrer Meinung nach unbedingt zu Hause haben?

Ein großes Schneidebrett, 40 mal 40 Zentimeter oder 30 auf 30. So hat man einen großen Arbeitsplatz. Dann ein paar scharfe Messer – nicht zu viele, drei Stück reichen. Ein kleines, mittleres und ein großes. Man braucht noch einen Herd und ein Backrohr, frische Kräuter, Zwiebeln, Knoblauch und ein bisschen scharfe Peperoncini.

Und was ist die größte Sünde, die man in der Küche begehen kann?

Etwas wegzuwerfen! Als guter Koch kannst du aus allem noch etwas machen. Wir kaufen frisch ein und verarbeiten frisch. Da geht es um Respekt den Produkten gegenüber – egal, ob es ein Kräuterchen für 80 Cent oder der Steinbutt ist.

Sie bekochen viel Prominenz. Gibt es eine Persönlichkeit, wo es richtig Spaß gemacht hat?

Ja, bei Gerhard Schröder. Das war während meiner Berliner Zeit. Wir haben viel für Politiker gekocht. Im Kanzleramt gibt es die Wohnung im 7. Stock mit Blick auf die Spree und Tiergarten. Hier fanden immer im kleinen Rahmen Dinner statt. Einmal wurden wir angerufen, sollten für vier Leute kochen. Wer das war, wussten wir aus Sicherheitsgründen natürlich nicht. Schröder hatte sich mit Chirac verabredet. Sonst waren noch die zwei Simultanübersetzer dabei. Aber die konnten nicht essen, mussten ja übersetzen. Ich hatte unseren tunesischen Oberkellner dabei, der Französisch sprach. Er kümmerte sich um Chirac, ich um Schröder. Der hat übrigens Wein getrunken, Chirac Bier!

Apropos Wein: Was trinken Sie am liebsten?

Ich habe früher sehr gerne Rotwein getrunken. Aber heute vertrage ich das nicht mehr. Deshalb würde ich sagen: Weißwein. Ich bin eher ein Rieslingtyp. Sehr gut finde ich zum Beispiel das Weingut Rebholz in der Pfalz.

Herr Bräuer, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

 

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